Der Internationale Gerichthof in Den Haag
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Nahost-Krieg ++ Israel: Südafrika nutzt Gerichtshof zynisch aus ++

Stand: 11.05.2024 22:35 Uhr

Israels Außenministerium hat Südafrika vorgeworfen, im Sinne der Hamas Eilanträge am Internationalen Gerichtshof einzureichen. Kanzler Scholz hat die israelische Regierung vor einer Militäroffensive auf Rafah gewarnt. Die Entwicklungen im Liveblog.

11.05.2024 • 22:35 Uhr

Ende des Liveblogs

Damit beenden wir den Liveblog für heute. Vielen Dank für Ihr Interesse.

Israel hat eigenen Angaben zufolge weitere Tunnel im Gazastreifen entdeckt. Der israelische Armeesprecher Daniel Hagari berichtete, in Zeitun im Zentrum des abgeriegelten Küstenstreifens sei eine "unterirdische Route" gefunden worden. Von hier aus hätten Terroristen Angriffe gegen die israelischen Truppen geplant. Im Gebiet Zeitun finde eine größere Militäraktion statt. Nach Angaben Hagaris wurden etwa 30 Terroristen getötet. In einer Schule seien Dutzende Waffen sichergestellt worden. Auch im östlichen Rafah sei ein Tunnel entdeckt worden.

Am Vorabend des israelischen Gedenktags für getötete Soldaten und Terroropfer haben die Angehörigen der 38 getöteten Geiseln in Gewalt der islamistischen Hamas ein würdiges Begräbnis für ihre Toten gefordert. Die Hinterbliebenen hätten kein Grab, an dem sie Ihrer Liebsten gedenken können, sagte Nirit Alon, die Lebensgefährtin eines Mannes, der getötet worden war. "Wir verlangen eine Grabstätte für unseren Sohn, um einen Abschluss zu finden und mit dem nächsten Kapitel unseres traurigen Lebens fortfahren zu können", sagten Hagit und Ruby Chen, die Eltern von Itay Chen.

Mosche Ahimas, Vater des getöteten Tomer Ahimas, forderte die Regierung auf, "die Lebenden und die Toten zurückzubringen." Am Gedenktag werde seine Familie an einem leeren Grab stehen. "Statt Tomer ist darin Erde des Kibutz Nirim, die mit seinem Blut getränkt ist."

EU-Ratspräsident Charles Michel hat die von Israel angeordnete Evakuierung der Stadt Rafah im südlichen Gazastreifen als "inakzeptabel" bezeichnet. "Die Evakuierungsbefehle für die in Rafah eingeschlossenen Zivilisten in unsichere Zonen sind inakzeptabel", erklärte er im Onlinedienst X. "Wir rufen die israelische Regierung auf, das humanitäre Völkerrecht zu respektieren und fordern sie auf, keine Bodenoperation in Rafah durchzuführen", fügte er hinzu. 

In Malmö haben sich erneut Tausende Menschen auf den Straßen versammelt, um gegen die Teilnahme Israels beim Eurovision Song Contest (ESC) zu demonstrieren. Diesmal seien es jedoch deutlich weniger gewesen als erwartet, hieß es von der Polizei. Etwa 6.000 bis 8.000 Teilnehmer schätzten die Einsatzkräfte, seien bei der Demonstration vom Netzwerk "Stop Israel" gewesen.

Die Organisatoren hatten auf etwa 20.000 Teilnehmende gehofft. Mit palästinensischen Flaggen und Schildern zogen sie durch die Straßen. Ähnlich wie am Donnerstag verlief die Versammlung nach Angaben der Polizei friedlich und reibungslos

Nach Angaben des israelischen Militärs ist im Gazastreifen ein neues Feldlazarett eingerichtet worden, das von der Nichtregierungsorganisation International Medical Corp betrieben werde. Dort arbeiteten 150 medizinische Kräfte. Es verfüge über Dutzende von Betten, die für Notfall- und Routinebehandlungen genutzt werden könnten.

Bundeskanzler Olaf Scholz hat die israelische Regierung vor einer Militäroffensive auf Rafah gewarnt. Eine solche Offensive wäre "unverantwortlich", sagt er bei einer Veranstaltung des Redaktionsnetzwerks Deutschland (RND). Er glaube nicht, dass dies "ohne unglaubliche menschliche Verluste" möglich sei.

Auf eine Frage nach Waffenlieferungen antwortet Scholz, die Bundesregierung liefere nur dann Waffen, wenn im Einzelfall klar sei, dass sie nicht in völkerrechtlich strittigen Situationen eingesetzt werden könnten. Waffen wie die USA liefere Deutschland an Israel ohnehin nicht.

Die israelische Regierung hat den Internationalen Gerichtshof (IGH) in Den Haag aufgefordert, den erneuten Eilantrag Südafrikas zum Verhindern eines Völkermords an Palästinensern im Gazastreifen abzulehnen. Südafrika agiere als legaler Arm der islamistischen Hamas, schrieb der Sprecher des israelischen Außenministeriums, Oren Marmorstein, auf der Plattform X.

Die Maßnahmen Südafrikas beruhten auf falschen Anschuldigungen und bewussten Auslassungen. Südafrika versuche, "den Gerichtshof zynisch auszunutzen". 

Im schwedischen Malmö sind am Rande des Eurovision Song Contest Tausende propalästinensische Demonstranten durch die Stadt marschiert. Die Demonstranten zogen mit palästinensischen Fahnen durch die Straßen von Malmö und forderten in Sprechchören einen Waffenstillstand im Gazastreifen.

Konkret geht es auch um die Teilnahme Israels an dem Musikwettbewerb. In den vergangene Tagen hatte es bereits große anti-israelische Demonstrationen gegeben. Viele Teilnehmer forderten den Ausschluss der israelischen Sängerin Eden Golan.

Die von der Hamas festgehaltene Geisel Nadav Popplewell ist laut der Terrororganisation gestorben. Die Hamas hatte zuvor ein Video veröffentlicht, das den 51-Jährigen zeigen soll. Kurz darauf meldeten die Islamisten, Popplewell sei bei einem israelischen Luftangriff verwundet worden und danach gestorben. Die Angaben lassen sich nicht unabhängig überprüfen. Die Hamas veröffentlicht regelmäßig Geisel-Videos, zuletzt im April. Israel verurteilt diese Aufnahmen als psychologische Kriegsführung.

Die israelische Führung hat verschnupft auf Kritik der US-Regierung am Einsatz von Waffen aus den Vereinigten Staaten im Gazakrieg reagiert. Israel halte sich an rechtliche Bestimmungen für bewaffnete Konflikte, sagte der außenpolitische Berater von Ministerpräsident Benjamin Netanyahu, Ophir Falk, der Nachrichtenagentur AP.

Die Armee unternehme weitgehende Schritte, um zivile Opfer zu vermeiden. So würden die Menschen vor Militäreinsätzen durch Telefonanrufe und Textbotschaften gewarnt. Laut einem Bericht der US-Regierung an den Kongress hat Israel beim Einsatz der von den USA bereitgestellten Waffen im Gazastreifen wahrscheinlich gegen das Völkerrecht verstoßen.

Die Vereinigten Arabischen Emirate wollen sich nach Ende des Kriegs im Gazastreifen an keiner möglichen Zivilverwaltung des Küstengebiets mit anderen Staaten beteiligen. Das stellte der emiratische Außenminister, Abdullah bin Sajid, am Samstag bei X klar. Das Land werde sich in keine Pläne hereinziehen lassen, um "Deckung zu geben für Israels Präsenz im Gazastreifen", erklärte der Minister. Israels Regierungschef Benjamin Netanyahu habe auch keine Befugnis, solch einen Schritt in die Wege zu leiten.

Netanyahu hatte kürzlich im Interview mit einem US-Fernsehsender über die Zukunft des Gazastreifens gesprochen. Im Fall einer Niederlage der islamistischen Hamas in dem Gebiet werde es vermutlich "irgendeine Art Zivilverwaltung"geben, sagte Netanjahu, "möglicherweise mithilfe der Vereinigten Arabischen Emirate, Saudi-Arabien und anderen Ländern".

Die israelische Armee hat nach eigenen Angaben ihren Einsatz in der Stadt Rafah im südlichen Gazastreifen fortgesetzt. Die Truppen gingen weiterhin gegen die islamistische Hamas an spezifischen Orten im Osten von Rafah vor, teilte das Militär mit. In den letzten 24 Stunden hätten die Einsatzkräfte dort "zahlreiche Terroristen im Nahkampf ausgeschaltet und die terroristische Infrastruktur in dem Gebiet zerstört". Israelische Truppen seien auch weiterhin auf der Gaza-Seite des Grenzübergangs Rafah aktiv. Die Angaben ließen sich zunächst nicht unabhängig überprüfen. 

Am Samstagmorgen hatte die israelische Armee weitere Palästinenser in Rafah dazu aufgefordert, ihre Häuser und Flüchtlingslager in Richtung Mittelmeerküste zu verlassen.

Nach dem Vorstoß der israelischen Armee in der südlichen Stadt Rafah im Gazastreifen hat dem UN-Palästinenserhilfswerk UNRWA zufolge eine starke Fluchtbewegung eingesetzt. Seit Wochenbeginn haben 150.000 Bewohner die Stadt in Richtung Inneres des abgeriegelten Küstenstreifens verlassen, teilte die UN-Organisation auf der Plattform X mit. Das israelische Militär gab hingegen an, dass seit Wochenbeginn schätzungsweise 300.000 Menschen der Evakuierungsaufforderungen gefolgt sein sollen. Die Angaben ließen sich nicht unabhängig überprüfen. 

Israel hatte zuvor die Bewohner weiterer Gebiete in Rafah, darunter erstmals auch solche in der Nähe des Zentrums, dazu aufgefordert, sich in den Ort Al-Mawasi an der Mittelmeerküste zu begeben. Familien würden überall in der Stadt ihre Sachen packen, schrieb eine UNRWA-Mitarbeiterin auf X. "Die Straßen sind deutlich leerer" fügte sie hinzu. Bis zum Vortag hatten nach UNRWA-Angaben 110.000 Palästinenser die Stadt an der Grenze zu Ägypten verlassen. Von den neuesten Räumungsanordnungen Israels, die auch Gebiete in weiteren Teilen des Küstenstreifens umfassen, seien insgesamt schätzungsweise 300.000 Menschen betroffen, hieß es von UNRWA. 

Das israelische Militär ordnet die Evakuierung weiterer Gebiete in der im Süden des Gazastreifens gelegenen Stadt Rafah an. Die Menschen seien aufgefordert, sich in die als Auffanglager ausgewiesene "humanitäre Zone" Al-Mawasi zu begeben, teilen die Streitkräfte auf der Plattform X mit. Israel hatte die Zivilbevölkerung bereits aufgefordert, den Ostteil Rafahs zu verlassen.

Zehntausende Menschen sind gezwungen, außerhalb der Stadt Schutz zu suchen. Am Freitag haben die israelischen Truppen den Ostteil der mit Flüchtlingen überfüllten Stadt faktisch eingekesselt. Die israelische Regierung argumentiert, sie könne den Krieg im Gazastreifen nicht gewinnen, ohne Rafah anzugreifen und Tausende Hamas-Kämpfer auszuschalten, die dort Unterschlupf suchen.

"Es werden Flugblätter abgeworfen", Philip Kuntschner, ARD Tel Aviv, zu Anordnungen von Evakuierungen in Rafah

tagesschau24, 11.05.2024 11:00 Uhr

Die US-Regierung hält es für möglich, dass Israel mit von den USA zur Verfügung gestellten Waffen im Gazastreifen gegen humanitäres Völkerrecht verstoßen haben könnte. Der Krieg verhindere jedoch, dass US-Vertreter dies bei einzelnen Luftangriffen mit Sicherheit feststellen konnten, hieß es in der Zusammenfassung eines Berichts des US-Außenministeriums.

Die Einschränkung, dass sie nicht in der Lage war, bestimmte US-Waffen mit einzelnen Angriffen der israelischen Streitkräfte im Gazastreifen in Verbindung zu bringen, könnte der US-Regierung einen Spielraum für künftige Entscheidungen darüber verschaffen, ob die Lieferung von Offensivwaffen an den Verbündeten eingeschränkt werden soll.

Die Verhandlungen im Gaza-Krieg über eine Waffenruhe und Freilassung von Geiseln stecken nach Einschätzung der USA in einer Sackgasse. Dass die jüngste Verhandlungsrunde in Kairo ergebnislos verlief, sei "zutiefst bedauerlich", sagte der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrates, John Kirby. Die Treffen seien vorerst beendet, die Gespräche steckten in einer Sackgasse. Man bemühe sich aber, beide Seiten dazu zu bewegen, die Diskussionen fortzusetzen. "Wir glauben immer noch, dass eine Einigung möglich ist", sagte Kirby.

Das "Wall Street Journal" zitierte ägyptische Beamte, wonach die Unterhändler die Gespräche Anfang nächster Woche in Kairo oder in Katars Hauptstadt Doha wieder aufnehmen wollen.

Der militärische Anführer der Hamas im Gazastreifen, Jihia al-Sinwar, hält sich einem israelischen Medienbericht zufolge entgegen bisheriger Vermutungen nicht in Rafah im Süden Gazas versteckt. Das sagten zwei mit der Angelegenheit vertraute Beamte der "Times of Israel", wie die Zeitung in der Nacht berichtete. Die Beamten waren demnach nicht in der Lage, mit Sicherheit zu sagen, wo sich Sinwar derzeit aufhält.

Nach jüngsten nachrichtendienstlichen Einschätzungen dürfte sich der Hamas-Anführer aber in unterirdischen Tunneln in der Gegend von Chan Junis, rund acht Kilometer nördlich von Rafah, versteckt halten. Israels Armee hatte sich vor einem Monat aus Chan Junis zurückgezogen. Zu Wochenbeginn rückte sie in die östlichen Außenbezirke von Rafah vor.  

Die Vereinigten Arabischen Emirate haben die Äußerung des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanyahu über die "Aufforderung an den Staat, sich an der zivilen Verwaltung des Gazastreifens zu beteiligen" verurteilt. Netanyahu habe "keine legitime Autorität", eine Beteiligung an der Zivilverwaltung des Gazastreifens zu fordern, schrieb der Außenminister der VAE auf der Social-Media-Plattform X.

UN-Generalsekretär António Guterres hat angesichts des Vorrückens der israelischen Armee im Osten von Rafah im Gazastreifen vor einem umfangreichen Einmarsch in der Grenzstadt gewarnt. "Die Situation in Rafah steht auf Messers Schneide", sagte Guterres auf einer Pressekonferenz in der kenianischen Hauptstadt Nairobi. "Ein massiver Bodenangriff in Rafah würde zu einer humanitären Katastrophe epischen Ausmaßes führen und unsere Bemühungen zur Unterstützung der Menschen angesichts der drohenden Hungersnot zunichtemachen."

Frankreich hat Israel aufgefordert, seinen Militäreinsatz in der Stadt Rafah im südlichen Gazastreifen unverzüglich zu beenden. Mit dem seit Wochenbeginn laufenden Militäreinsatz drohe eine katastrophale Situation für die Zivilbevölkerung in Gaza, die bereits mehrfach vertrieben worden sei und für die es in Gaza keine sicheren Gebiete mehr gebe, teilte das Außenministerium in Paris mit. Israel solle den Verhandlungsfaden wieder aufnehmen, dies sei der einzige Weg zu einer sofortigen Freilassung der Geiseln und zu einer dauerhaften Waffenruhe.

Frankreich forderte Israel erneut auf, alles zu tun, um den Schutz der Zivilbevölkerung zu gewährleisten und die Einfuhr humanitärer Hilfe im Einklang mit dem Völkerrecht und den Forderungen des Internationalen Gerichtshofs sicherzustellen. Wie das Außenministerium in Paris mitteilte, müsse Israel den Grenzübergang Rafah nach Ägypten sofort wieder öffnen, der sowohl für den Zugang der Zivilbevölkerung zu humanitärer Hilfe als auch für die Ausreise der am stärksten gefährdeten Menschen aus dem Gazastreifen unerlässlich sei. 

Wegen der israelischen Offensive in Rafah hat Südafrika erneut Sofortmaßnahmen gegen Israel beim Internationalen Gerichtshof beantragt. Deutschland betont das Ziel einer Zwei-Staaten-Lösung. Die Entwicklungen im Liveblog zum Nachlesen.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 11. Mai 2024 um 10:00 Uhr.